Eine einzige Hommage: „Der Körper leuchtet in einer goldenen Bernsteinfarbe, die Decke ist aus dicht gemasertem Fichtenholz gearbeitet, der Umriss hat einen schönen Schwung, die f-Löcher rechts und links vom Steg, über den die Saiten laufen, sind sehr aufrecht, klar geschnitten und in ihrer Linienführung gut ausgewogen.“ Mit der Beschreibung einer exquisiten Geige beginnt Philipp Bloom seinen Roman „Eine italienische Reise“, der Zeugnis ablegt von einem Netzwerk, in dem bereits vor mehr als drei Jahrhunderten Handwerker, Musikinstrumente und Wissen durch Europa zirkulierten. Ein Mittelpunkt dieses Neztwerkes befindet sich auch mehr als 300 Jahre später noch zwischen dem Karwendel- und Wettersteingebirge, unmittelbar an der Grenze zu Österreich: in Mittenwald.
KOSTBARE MITTENWALDER GEIGEN
Ob Bloom zu Beginn seines Romans eine Geige von Amati, Guarneri oder Antonio Stradivari beschrieben hat, die im 16. und 17. Jahrhundert die Maßstäbe setzten und heute immer noch zu den weltweit kostbarsten Instrumenten zählen – wir wissen es nicht. Doch vielleicht war es eine echte Klotz, die der Autor im Sinn hatte. Denn eine solche Geige muss den Vergleich mit einem Instrument der italienischen Meister in Bezug auf den Aufbau, ihre Verarbeitung, ihren
Lack und ihr ausgesuchtes Holz nicht scheuen. Vor allem das Holz war es, das Matthias Klotz nach Lehrjahren in Italien um 1680 in seinen Geburtsort Mittenwald zurückkehren ließ, um eine Geigenbauwerkstatt zu eröffnen.
Die Decke einer Geige besteht aus Fichte, Seiten und Boden aus Ahorn. Für den perfekten Instrumentenkorpus kommen nur ganz wenige Bäume in Betracht. Das Fichtenholz muss langfaserig und gleichmäßig sein. Diese Eigenschaft haben nur langsam gewachsene Stämme aus dem Hochgebirge, die im Winter geschlagen wurden. Das Geheimnis um den genauen Standort geeigneter Bäume wird bis heute strengstens gehütet. Die Böden bei Mittenwald bieten ideale Bedingungen für das Holz der Geigenbauer. Und den nötigen Ahorn in entsprechender Qualität finden die Instrumentenbauer im Ahornboden im Karwendel. Da Mittenwald an einer im 17. und 18. Jahrhundert wichtigen transalpinen Handelsroute lag und zudem den wichtigen "Bozener Markt" abhielt, konnte sich hier schnell der Geigenbau etablieren. Neben Matthias und seinem Sohn Sebastian Klotz begründeten vor allem die Familien Baader, Hornsteiner, Jais und Neuner den Ruhm der Mittenwalder Geigenbauer.
LEBENDIGE TRADITION
Im Laufe des 19. Jahrhunderts, im Zuge von Industrialisierung und Arbeitsteilung, wanderten viele der ehemals 90 Geigenbauer aus Mittenwald ab. Es gab zwar noch Korpusmacher und Besaiter, aber eine vollständige, gute Geige bauen, das konnte fast niemand mehr. Für König Maximilian II., der die bayerische Kultur durch die Gründung von Trachten- und Schützenvereinen bewahren wollte, war das ein unhaltbarer Zustand. Und so gründete er 1858 die Mittenwalder Geigenbauschule. Derzeit werden dort jährlich von weit über 100 Bewerbungen aus aller Welt nur zwölf Geigenbau- und vier Zupfinstrumentenbauschüler zugelassen. Heute zählen die Mittenwalder Schüler wieder zu den Besten ihres Fachs.
Geigenbau-Museum
Das Mittenwalder Geigenbaumuseum wurde 1930 gegründet und ist seit 1960 in einem der schönsten und ältesten Häuser in Mittenwald untergebracht. Die Ausstellung zeigt das Geigenbauhandwerk und seine mittlerweile über dreihundertjährige Entwicklung, verknüpft mit der Ortsgeschichte. Ballenhausgasse 3, 82481 Mittenwald
geigenbaumuseum-mittenwald.de