
ZWISCHEN WELTKULTUR UND GUINNESS-BUCH
Ein Grantler sei er, der Oberpfälzer. Wenig diplomatisch, aber auch kreativ und liebenswert. So weiß das Oberpfalz-Marketing auf seiner Homepage über die Einwohner zu berichten. Der Oberpfälzer ist also einer – das wird damit schnell klar –, der auch mal über sich lachen kann, einer, der grundehrlich und erfrischend direkt daherkommt. Wer auf die Rubrik „Oberpfalz für Anfänger“ klickt, bekommt einen weiteren Beleg für die Selbstironie: einen Crashkurs zum gern parodierten Dialekt der Region. „Da Mou“ ist östlich von Ober- und Mittelfranken dann der Mond, „a Kouh“ die Kuh. Und selbst die Oberpfälzer, das erfährt man, verstehen sich nicht immer, der Dialekt wechsle von Dorf zu Dorf. Einflüsse auf die Sprachetikette im Golfflight sind indes nicht zu erwarten, Birdie bleibt Birdie. Allenfalls das Fluchen nach dem zweiten im Wasserhindernis versenkten Ball mag variieren.
„Der Oberpfälzer neigt nicht zum öffentlichen Muskelspiel“

Die Oberpfalz erstreckt sich landschaftlich wertvoll vom Fichtelgebirge im Norden bis zur Donau im Süden; von Tirschenreuth, über Weiden und Amberg, bis in ihre Hauptstadt Regensburg. Früher Grenzgebiet zum Osten, heute fast der Nabel der Welt. Während die einen meinen, die unterfränkische Gemeinde Westerngrund sei der geographische Mittelpunkt Europas, stoßen andere bei ihren Berechnungen auf Litauen. Für die Oberpfälzer steht fest: „Der amtliche Mittelpunkt unseres Kontinents liegt hier bei uns.“ Schon Napoleon habe die Oberpfalz zum Zentrum Europas gemacht und auch die Universität München habe bestätigt, dass es sich um Hildweinsreuth bei Flossenbürg handle.
Anlass gibt es genug, sich als Herzstück zu verstehen. Und das nicht nur wegen der UNESCO-Welterbe-Stadt Regensburg, sondern zum Beispiel auch wegen der ökonomischen Effizienz. So liegt das Bruttoinlandsprodukt deutlich über dem Deutschlands – sowie über dem EU-Wert. Dem Arbeitsmarkt geht es gut. Das verführt den Oberpfälzer aber nicht zum öffentlichkeitseifrigen Muskelspiel, man schlägt hier lieber leisere Töne an. Wer weiß schon, dass sich in der Region Regensburg Bayerns kleinstes Weinanbaugebiet und der Welt ältestes Wirtshaus findet? Seit 1658 wird in Eilsbrunn verkostet und ausgeschenkt, inzwischen bereits in der elften Generation. Das Guinness-Buch der Rekorde sammelt genau solche Geschichten.
1,1 Millionen Menschen leben auf etwa 10.000 Quadratkilometern landschaftlicher Zauberwelten, dem Oberpfälzer Seenland etwa, dem Bayerischen Wald, den Tropfsteinhöhlen im Bayerischen Jura; im Landkreis Schwandorf gibt es sogar ein kleines Stonehedge. Und in Hirschau steht der Monte Kaolino, ein 120 Meter hoher Quarzsandberg, der zum Sommerskisport lädt. Wie steht es doch auf der Homepage von Oberpfalz-Marketing: „Wir genießen hohe Lebensqualität.“
Stefan Brunner