Weinlese zwischen Barock und Weltkultur
Unterfranken ist die Heimat von Wilhelm Conrad Röntgen, Walther von der Vogelweide, Tilman Riemenschneider, auch von Dirk Nowitzki. Und dann wäre da noch Balthasar Neumann, jener Neumann, der es in die ewigen Architekturgeschichtsbücher geschafft hat. Als einer der größten Barockbaumeister überhaupt hinterließ er viele Spuren in Unterfranken. Auf ihn gehen die Würzburger Residenz – UNESCO Weltkulturerbe – und die Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung zurück, übrigens auch die ersten Wasserrohre der Stadt. Zu Neumanns Werken zählen ebenso Schloss Werneck sowie der Kurpark und das Kurhaus in Bad Kissingen. Dorthin zog es einst Kaiser und Könige, wenn sie sich nach vielem Regieren regenerieren mussten.
Das eigentliche Herzstück Unterfrankens bildet aber Würzburg, Sitz der Regierung. Die Bischofsstadt ist Dreh- und Angelpunkt für Frankenland-Reisende. Denn hier beginnt Bayerns süffigste Route, die fränkische Bocksbeutelstraße. Wie ein Netz legt sie sich über Unterfranken. Von Würzburg aus geht es in alle Himmelsrichtungen: hinein in die Weingüter an den Hängen des Maintals. Und schnell wird der Reisende verwundert feststellen, dass jede dieser Routen Bocksbeutelstraße heißt; wohl einst die launige Entscheidung eines Weinverkosters nach einem langen Arbeitstag.
Unterfranken hat indes mehr lohnenswerte Aspekte als nur die weltbekannte Flachkugelflasche. Mehr als 20 Burgen und Schlösser schmiegen sich in den Naturpark Haßberge, bis zu 400 Jahre alte Eichen spitzen aus dem Naturpark Bayerischer Spessart. Greifvögel und Wildschweine erwecken den Naturpark Steigerwald zum Leben. Und der Naturpark Bayerische Rhön wartet mit dem schwarzen Moor auf, das mit rund 780 Metern das bedeutendste Hochmoor Mitteleuropas ist.
In Ochsenfurt steht das gotische Rathaus, eines der schönsten in ganz Franken. 15 Kilometer nordöstlich, in Kitzingen, prahlt das dortige Rathaus mit einem prächtigen Renaissancegiebel. Das Städtchen gilt auch als das Zentrum des Weinhandels – womöglich ist die Haube auf dem spätmittelalterlichen Falterturm ja genau deshalb etwas schief geraten.
Da passt es also, dass Unterfranken auch unter dem Titel Weinfranken firmiert. Mainfranken gilt ebenso als Namens-Variante, bezogen auf den gleichnamigen Fluss, der den Bezirk durchfließt. Da passt es dann allerdings ganz und gar nicht, dass dieser Teil Frankens, der gleichauf mit Oberfranken und ganz klar oberhalb von Mittelfranken liegt, zu Unterfranken gemacht wurde. Erst der Blick auf die Landkarte sorgt für Klarheit, liegt Unterfranken doch am Unterlauf des Mains, Oberfranken am Oberlauf und Mittelfranken dazwischen.
Von Kitzingen geht es weiter Richtung Nordosten, 50 Minuten mit dem Auto, man stößt auf Haßfurt, wo die fünf spätgotischen Holzstatuen der Pfarrkirche St. Kilian reizen, berühmte Werke von Tilman Riemenschneider – vor allem für diejenigen interessant, die in Ochsenfurt verpasst haben, einen Blick auf die Nikolausfigur in der Pfarrkirche St. Andreas zu werfen, ebenfalls ein Riemenschneider-Werk. Allmählich erkennt man dann auch den wahren Wert Unterfrankens: Es ist die Unverpassbarkeit. Wer im einen Ort etwas versäumt, wird schon im nächsten Ort entschädigt: mit Kirchen und Burgen, mit Schnitzereien, Weinbergen und überall mit fränkischem Flair.